Arzneimitteltherapiesicherheit: „Jeder Geschädigte ist einer zu viel“

Arzneimitteltherapiesicherheit: „Jeder Geschädigte ist einer zu viel“

Das diesjährige Thema der B. Braun-Stiftung Forschungsausschreibung ist die Arzneimitteltherapiesicherheit im Krankenhaus, kurz AMTS. Ein Bereich, „in dem wir deutlich besser werden können“, ist Dr. Steffen Amann überzeugt, Leiter der Krankenhausapotheke an der München Klinik. In einer Vielzahl von Studien sind Schädigungen beziehungsweise Todesfälle von Patienten nach Fehlern in der Verabreichung von Medikamenten belegt, wobei die genaue Zahl letztlich „irrelevant“ ist, betont der Pharmazeut. „Die Zahlen sind zu hoch, jeder Geschädigte ist einer zu viel. Auf die Flugindustrie umgelegt wären es ganze Flugzeuge von Patienten, die regelrecht in den Krankenhäusern abstürzen.“

Kultur und Technik

Bei der Veränderung der Situation sind technische und nicht-technische Aspekte von Bedeutung: Letztere umfassen eine Bewusstseinsänderung, „einen Kulturwandel, die Offenheit, nicht nur individuelle, sondern vor allem systemische Fehler anzuerkennen und auch daran arbeiten zu wollen“, erklärt Dr. Amann, der Deutschland hier „grundsätzlich“ auf gutem Weg sieht. Von technischer Seite sollte vermehrt auf die digitale Unterstützung der Prozesse gesetzt werden. Closed Loop Medication Administration (CLMA) heißt hier das Stichwort mit dem Ziel, Information verfügbar zu haben, wo Entscheidungen getroffen werden, sowie „Medienbrüche“ in der Informationskette weitgehend zu eliminieren.  „Wir müssen Information zur AMT besser und richtig verfügbar erhalten sowohl innerhalb der Klinik als auch beim Wechsel der Sektoren ambulant und stationär“.

Das Krankenhauszukunftsgesetz bietet laut Dr. Amann eine gute Gelegenheit, die strukturelle Qualität zu verbessern. „Unsere Einrichtung hat mit aller Kraft diese Chancen genutzt, um die Prozesse neu zu reflektieren und zu überlegen, wo diese digital abgebildet, unterstützt und verwendet werden können.“ Weiter rät der Experte dazu, nicht ein „copy & paste“ anderer Einrichtungen vorzunehmen, sondern zunächst im eigenen Haus zu überlegen, „was möglich ist.“ Und noch eine Empfehlung: Der Aktionsplan AMTS der Bundesregierung(1) enthält die entsprechenden Maßnahmen, beispielsweise zur besseren Dokumentation mit elektronischer beziehungsweise digitaler Verordnungsunterstützung(2).  

AMTS „gehört“ allen

Letzte Frage: Welche Berufsgruppen sind in diese Änderungen einzubinden? Die kurze Antwort: „Alle.“ Die lange Antwort: „Es gibt nicht ‚die‘ einzelne Berufsgruppe, der das Thema AMTS ‚gehört‘. Nur die Einbindung aller Gruppen, die interdisziplinäre Zusammenarbeit, ermöglicht ein System, das zu einer Veränderung in den Köpfen führt. Das bedeutet, man braucht von den Entscheidern in der Klinikleitung über Einkauf und IT-Abteilung bis hin zu Ärzt*innenen, Pflegenden, Pharmazeut*innen und allen, die mit der AMT befasst sind, gemeinsam im Boot.“ Von großer Bedeutung ist hier übrigens, auch den Patienten und die Angehörigen mit im Fokus zu haben: „Sie spielen nach der Entlassung eine wesentliche Rolle bei der richtigen Anwendung der Medikamente“, schließt Dr. Amann.  Dr. Steffen Amann ist seit 2012 im Kuratorium der B. Braun-Stiftung aktiv. 

Quellen: 

(1) https://www.bundesgesundheitsministerium.de/ministerium/meldungen/2016/aktionsplan-amts.html
(2) https://www.akdae.de/AMTS/Aktionsplan/Aktionsplan-2016-2020/docs/M20-Loesungsansaetze.pdf