Zelltransplantation zur Behandlung von Knorpelschäden: restaurierende Verfahren im Kommen

Zelltransplantation zur Behandlung von Knorpelschäden: restaurierende Verfahren im Kommen

Dr. Christoph Gaissmaier, Vorstandsmitglied des biopharmazeutischen Unternehmens Tissue Engineering Technologies, über die Behandlung von Knorpelschäden.

Was für Methoden stehen für die operative Behandlung von Knorpelschäden zur Verfügung?

Dr. Christoph Gaissmaier: Im Wesentlichen wird zwischen reparativen und restaurierenden Methoden unterschieden. Reparative, wie z.B. die Mikrofrakturierung, ermöglichen keine Regeneration von hochwertigem Gelenkknorpel, sondern meist nur die Entstehung von Faserknorpel, einem Narbengewebe, das vor allem bei größeren Defekten mit der Zeit wieder abgetragen wird, wodurch im weiteren Verlauf eine Arthrose entstehen kann. Zu den restaurierenden Verfahren, die die Defektauffüllung mit gelenktypischem Knorpel ermöglichen, zählt der Transfer von Knorpel-Knochenzylindern (sog. Mosaikplastik) aus wenig tragenden Gelenkbereichen in einen Defekt der Hauptbelastungszone und die Transplantation autologer Knorpelzellen (Chondrozyten) meist mit Hilfe eines Biomaterials als Zellträger (sog. matrixassoziierte autologe Chondrozyten-Transplantation, kurz MACT). Während Mikrofrakturierung und Mosaikplastik aus verschiedenen Gründen nur für Knorpelschäden bis ca. 2-3 cm2 geeignet sind, kann die MACT auch bei größeren Defekten eingesetzt werden. 

 

Wie oft wird eine chirurgische Knorpeltherapie in Deutschland durchgeführt?

Dr. Christoph Gaissmaier: In 2016 wurden in Deutschland mehr als 60.000 operative Behandlungen zur Therapie von Knorpelschäden codiert. In den USA werden pro Jahr mehr als 300.000 knorpelrekonstruktive Eingriffe durchgeführt, wobei aus den oben genannten Gründen die Zahl der Versorgungen mit einem reparativen in den letzten Jahren ab- und die mit einem knorpelrestaurierenden Verfahren zugenommen hat.

 

Wie wird die Diagnose gestellt und welche Schwierigkeiten bestehen dabei?

Dr. Christoph Gaissmaier: Gelenkbeschwerden können mit Funktionsbeeinträchtigung, erheblichen Schmerzen und einer Schwellung des betroffenen Gelenks einhergehen. Die diagnostische Aufgabe des Arztes ist es dann durch Befragung (Anamnese) mit eingehender körperlicher Untersuchung des Patienten und mit Hilfe bildgebender Verfahren herauszufinden, was die Ursache hierfür ist. Ist z.B. ein Trauma erinnerlich, kann ein Knorpelschaden entstanden sein. Auch müssen bei der Untersuchung andere Gelenkstrukturen, wie z.B. Kreuzbänder oder der Meniskus berücksichtigt werden, da sie nach Verletzungen häufig ebenfalls betroffen sind. So kann eine Bandruptur in einer Gelenkinstabilität resultieren, die neben einem relevanten Knorpelschaden ggf. auch operativ behandelt werden muss.

 

Welche Bedeutung spielt die Bildgebung bei der Diagnosestellung?

Dr. Christoph Gaissmaier: Anamnese und ärztliche Untersuchung ermöglichen es nicht immer die zugrunde liegende Ursache von Gelenkbeschwerden sicher zu identifizieren. Jedoch sind beide sehr wichtig, um die Verdachtsdiagnose Knorpelschaden zu stellen und darauf folgend eine geeignete Bildgebung zu veranlassen. Mit Hilfe des klassischen Röntgen können zahlreiche Pathologien des Gelenks, wie z.B.  knöcherne Veränderungen, Achsfehlstellungen (mittels Ganzbeinstandaufnahme) und auch ein Gelenkverschleiß erkannt und beurteilt werden (z.B. gemäß der Einteilung nach Kellgren und Lawrence).

Moderne hochauflösende und biochemische Sequenzen der Magnetresonanztomographie (MRT) ermöglichen die Darstellung selbst sehr kleiner und noch früher Knorpelläsionen. Mit der morphologischen Bildgebung im MRT kann das Ausmaß der Knorpelschädigung untersucht und können andere Strukturen im Gelenk, wie Meniskus, Bänder und der unter dem Knorpel liegende Knochen beurteilt werden. Die biochemische MRT-Diagnostik kann zusätzlich Veränderungen in der Zusammensetzung des Knorpels darstellen. Insgesamt ist die MRT gut dazu geeignet, sowohl präoperativ, wie auch im postoperativen Verlauf eines knorpelrekonstruktiven Eingriffs den Zustand des Knorpels, anderer Gelenkstrukturen und die Defektheilung (z.B. auch mit Hilfe des MOCART-Scores) zu untersuchen. Geeignete Bildgebung und deren Beurteilung stellen somit einen wesentlichen Teil der Diagnostik vor und nach Behandlung von Knorpelschäden dar.

 

Wann wird ein Knorpelschaden mit einer Zelltransplantation behandelt und wie lange dauert das?

Dr. Christoph Gaissmaier: Als geeignete Indikationen für eine biologische Knorpelrekonstruktion mittels MACT gelten vor dem Hintergrund der bestverfügbaren Evidenz lokalisiert vollschichtige und klinisch symptomatische Knorpelschäden, wobei keine fortgeschrittenen degenerativen Gelenkveränderungen oder andere Ausschlusskriterien bestehen sollten. Ist dies nicht der Fall, wird die MACT im Knie ab Defektgrößen von 2,5 bis 4 cm2 und beim Hüftgelenk ab 1,5 bis 2 cm2 empfohlen. Genauere Informationen hierzu können den Empfehlungen der Arbeitsgemeinschaft „Klinische Geweberegeneration“ der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU) und den produktzugehörigen Fachinformationen entnommen werden [1, 2].

Mit den von uns entwickelten MACT-Verfahren dauert die Zeit von der Knorpelentnahme bis zur Transplantation der Zellen in der Regel drei Wochen. Die OP-Dauer für die Implantation wird durch unterschiedliche Faktoren beeinflusst. Zu diesen gehören der Gelenktyp (z.B. Knie oder Hüfte), die Lokalisation des Defekts im Gelenk und mögliche Begleiteingriffe. In klinischen Studien lag die sog. Schnitt-Naht-Zeit unserer beiden MACT-Produkte zwischen 20 bis 60 Minuten. Aus klinischen Studien und Anwendungsbeobachtungen wurden gute klinische Ergebnisse und Responderraten auch für langfristige Verläufe und große Knorpelschäden berichtet. 

Zur Person:

Dr. Christoph Gaissmaier studierte Medizin in Göttingen und Tübingen. Mit Knochen- und Knorpelforschung, einschließlich der Züchtung von Zellen, beschäftigt er sich mittlerweile seit über 30 Jahren und war zu Wissenschaftsaufenthalten auch in den USA an renommierten Instituten der Knorpel- und Arthroseforschung, wie dem Department of Biochemistry an der Rush University in Chicago. Zusammen mit seiner Arbeitsgruppe, hat er bereits anerkannte nationale sowie internationale Forschungspreise erhalten.

Als Mediziner und Vorstandsmitglied ist Dr. Gaissmaier im Unternehmen vor allem für den Bereich Forschung und Entwicklung, Herstellung und Qualitätssicherung, die Begleitung klinischer Studien mit Zulassung und für die Beratung und Betreuung der anwendenden Ärzte zuständig. Im Jahr 1998 entstand an der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Tübingen mit seinem damaligen Chef Herrn Prof. Weise und zwei anderen chirurgischen Kollegen die Idee, Knorpelzellen für die operative Sanierung von Knorpelschäden zu züchten, zunächst für klinikeigene Patienten.

Das Unternehmen TETEC:

Die Tissue Engineering Technologies AG, kurz TETEC, ist ein biopharmazeutisches Unternehmen mit Sitz in Reutlingen, das mit Hilfe patienteneigener (autologer) Zellen, Biomaterialien und anderer Methoden neuartige Therapien für die Regenerative Medizin entwickelt. wobei TETEC weltweit am meisten zellbasierte Produkte zur Behandlung von Knorpelschäden herstellt. Mit NOVOCART 3D und Inject hat die TETEC zwei MACT-Verfahren entwickelt. NOVOCART Inject, das neueste Produkt, lässt sich arthroskopisch anwenden und ist daher auch für operativ schwer zugängliche Gelenke, wie z.B. die Hüfte, geeignet.

Zudem ist das Unternehmen an interdisziplinären Forschungsprojekten beteiligt, die die Entwicklung neuer und besserer Verfahren zur Behandlung chronisch entzündlicher und degenerativer Erkrankungen, wie z.B. der Arthrose, zum Ziel haben. Im Bereich der Zelltherapien konnte TETEC laut Dr. Gaissmaier über die Jahre eine große fachliche Expertise mit entsprechender personeller und räumlicher Ausstattung aufbauen. So entstehen ihre Produkte in modernsten Reinraumanlagen unter GMP-Bedingungen.