42. Fortbildung für Pflegende: Das Bild der Pflege verändert sich

42. Fortbildung für Pflegende: Das Bild der Pflege verändert sich

Die Pandemie hat die Probleme unseres Gesundheitssystems aufgedeckt - sie wie unter ein Brennglas geschoben. Der Pflegemangel zeigte und zeigt sich deutlich, die Wertschätzung für Pflegende steigt. Nie gab es so viele Bewerber*innen für den Pflegeberuf wie zur Zeit. Doch ist das nachhaltig? Die Fortbildung für Pflegende informierte und diskutierte über „Pflege in Coronazeiten“.

„Pflege in Coronazeiten“ ist das Thema der FOBI 2020. So fragte Staatssekretär Andreas Westerfellhaus in seiner Key Note, ob sich die Wertschätzung der Pflege in Corona Zeiten verändert hat, der Hygieniker Dr. Markus Schimmelpfennig ging auf die hygienischen Herausforderungen ein, die Covid-19 mit sich bringt, Prof. Dr. Antje-Britta Mörstedt gab Tipps für Bewerber und die Podiumsdiskussion ging der Frage nach, ob Covid-19 das Bild der Pflege nachhaltig verändern wird.

Fortbildung unter Corona-Bedingungen

Corona prägte auch die Form der Veranstaltung. „2020 ist ein besonderes Jahr, da wir es mit einem Virus zu tun haben, gegen das noch kein Kraut bzw. keine Impfung gewachsen ist“, so eröffnete Claudia Nehrig, Geschäftsführerin des DRK Kassel und Kuratoriumsmitglied der B. Braun-Stiftung, die 42. Fortbildung für Pflegende, die am 23. Oktober 2020 zum ersten Mal unter Pandemie Bedingungen und als Hybridveranstaltung stattfand. Das bedeutete unter anderem für die knapp 40 Teilnehmer*innen vor Ort, Check-in hinter Plexiglas, Personenregistrierung, regelmäßiges Händedesinfizieren sowie das Tragen einer Mund-Nasen Bedeckung während der gesamten Veranstaltung.

Hype in Corona-Zeiten langfristig nutzen

Westerfellhaus appellierte an alle Pflegenden, an der Veränderung mitzuwirken und sich politisch einzubringen, damit Lösungskonzepte entwickelt werden können. "Gerade jetzt findet die Pflege Gehör." Doch die Politik brauche Ansprechpartner aus dem Bereich der Pflege, da Veränderung viele Beteiligte sowie Kompromisse erfordere. In diesem Zusammenhang fordert er ein Bewusstsein dafür zu entwickeln, was verändert werden kann, so Westerfellhaus. Auch Andreas Lutz, Intensivpfleger aus Tübingen sieht in der Pandemie  eine Chance, wenn er sagt: „Covid-19 birgt die Chance für die Pflege, dass sich was ändert, inwiefern das geschieht, liegt allein in der Hand der Pflegenden selbst“.

Podiumsdiskussion: Tariflöhne sind Voraussetzung

Selbstwirksamkeit ist wichtig, aber die Grundlage ist eine faire Bezahlung. Max Schild, Leiter des Vereins „Pflege, Hilfe, Betreuung e. V.“ in Hofgeismar mit Tagespflege, betreuten Wohnen und stationärer bzw ambulanter Altenpflege berichtete von den harten, unfairen Verhandlungen mit Krankenkassen, als es um die Tariferhöhungen ging. „Das muss einfacher werden“, erkläre er. Dem schließt sich Staatssekretär Westerfellhaus an, für den die schlechte Bezahlung der Pflegekräfte der zentrale Aspekt für die Nachwuchsprobleme ist. Es liege nicht an der Arbeit an sich, dass so viele Pflegende ausbrennen, sondern daran, dass sie zu wenig Zeit für ihre Patienten haben, es zu wenig Personal gibt und sie zu wenig Anerkennung bekommen, so Westerfellhaus. „Pflegende müssen in ganz Deutschland finanziell gleich wertvoll sein“, so Westerfellhaus. Deshalb erwarte er, dass Tariflöhne gezahlt werden. Dr. Michael Sasse, Intensivmediziner aus Göttingen sieht die Pflegenden deshalb in der Pflicht, sich stärker berufspolitisch zu engagieren und einig zu sein

Westerfellhaus ist es neben einer guten pflegerischen Versorgung zudem wichtig, dass Pflegebedürftige ihr Selbstbestimmungsrecht wahrnehmen können. Deshalb plädiert er für den Zugang zu unabhängiger Beratung, verständlichen Informationen, schneller Unterstützung und Schutz vor finanzieller Überforderung und zwar nicht nur in Pflegeeinrichtungen, sondern auch für die häusliche Pflege und die Entlastung der pflegenden Angehörigen. Besonders für die häusliche Pflege würde er sogenannte Pflegecopiloten einsetzen, die wie eine Hebamme, in die Familien gehen und mit Rat und Tat zur Seite stehen.

Generation Z – geht’s noch?                                      

Um auch morgen noch Pflegepersonal zu haben, müsste jeder 5. in die Pflege gehen. Wir brauchen Pflegepersonal und nicht unzählige studierte Event Manager, so Prof. Dr. Antje-Britta Mörstedt, die den Teilnehmer*innen die neue Generation Z, die zwischen 1994 und 2010 geboren wurde, etwas näher gebracht hat. Aber: Wenn die neue Generation Z eines nicht will, dann ist es sich für die Arbeit aufzuopfern, bis zur Erschöpfung, so Prof. Dr. Antje-Britta Mörstedt. Arbeitgeber müssen umdenken, um junge Mitarbeiter an sich zu binden.

Als Arbeitgeber oder Pflegefachschule muss man sich bewusst machen, wie die nachkommende Generation ‚tickt‘. Welche Werte diese hat und wo man sie erreicht. Die Berufseinsteiger von morgen wollen nicht mehr arbeiten um jeden Preis.

Außerdem brauchen sie in unserer Multioptionsgesellschaft klare Regeln und Konsequenzen. Die neue Generation Z ist auf Social Media, also muss man als Arbeitgeber oder als Krankenpflgegeschule auch auf Social Media, wenn man die jungen Leute in den Beruf holen will, so Mörstedt. Zudem wollen die sogenannten „Digital Natives“ Sinnhaftigkeit und Spaß an der Arbeit erleben, Feedback bekommen, und sie streben ein hohes Maß an Unabhängigkeit an. „Denen reicht es nicht, dass sie etwas gemacht haben, sie wollen wissen, ob sie es gut oder richtig gemacht haben.“ Das haben auch einige Pflegeschüler*innen der B. Braun-Stiftung gezeigt, die bei dem ersten FOBI-Video-Award teilgenommen haben.

 

Hygienische Maßnahmen schaffen Aktivität

Zum Thema Hygiene und deren besondere Herausforderung in der aktuellen Situation sprach Dr. Markus Schimmelpfennig. Schimmelpfennig leitete über 35 Jahre die Hygieneabteilung des Gesundheitsamtes Kassel und ist aktuell Hygieniker am Marienkrankenhaus Kassel. Schimmelpfennig vermittelte in seinem Vortrag „Herausforderungen an die Hygiene in Covid Zeiten“ den aktuellen Wissenstand und räumte mit Vorurteilen auf. Corona sei eindeutig die schwerer verlaufende Krankheit als die Grippe.

Zurzeit verläuft die Erkrankung bei 81% mild, 14% schwer, so dass die Patienten im Krankenhaus behandelt werden müssen und bei 5% kritisch, diese müssen gegebenenfalls auf der Intensivstation versorgt werden. So unterschiedlich die Verläufe seien, erklärt Schimmelpfennig, so vielseitig seien auch die Symptome einer Corona-Infektion.

Der ACE-2 Rezeptor, an den sich das Corona Virus andockt, befindet sich in vielen Organen und Geweben des Menschen. Die wichtigsten Symptome sind allerdings bislang (trockener Reiz-) Husten, Fieber, Schnupfen, Geruchs- und Geschmacksverlust sowie Pneumonie. Weitere Symptome können Kopfschmerzen, Schwindel, Erbrechen, Herz- Kreislaufstörungen sowie Thromboembolien u.a. sein. Wie sehr das Virus die Krankenhäuser belastet zeigt die Aufenthaltsdauer der Covid-19 infizierten in den deutschen Krankenhäusern. Sie sieht laut Schimmelpfennig im Schnitt so aus: Normalstation: 8-10 Tage, Intensivstation: 16 Tage, mechanisch beatmet: 18 Tage. Hinzu käme der REHA-Bedarf bzw. der sehr geschwächte Gesundheitszustand der Gesundenden. Sie könnten in der Anfangszeit nicht  mal ein Wasserglas halten.

Neben den nötigen Schutzmaßnahmen sollten wir so Schimmelpfennig nicht vergessen, dass diese auch Nebenwirkungen haben, wie Einsamkeit, Depressionen und die Zunahme von häuslicher Gewalt. Darauf weist auch Westerfellhaus hin und betont, dass die Isolation der Pflegebedürftigen besonders in den Altenheimen nicht wieder kehren sollte, da die soziale Teilhabe, ebenfalls wichtig sei und zudem zur Gesundung beiträgt.

Positive Resonanz zum Veranstaltungsformat

Aufgrund der aktuellen Lage hatte sich die B. Braun-Stiftung dazu entschieden ihre jährlich stattfindende Fortbildung für Pflegende als Hybridveranstaltung durchzuführen. Dafür gab es von Seiten der Teilnehmer*innen sowie der Referent*innen zahlreiche positive Rückmeldungen.