Vielfalt und Stiftungen - das passt zusammen!

Vielfalt und Stiftungen - das passt zusammen!

Vielfalt stiften ist ein Programm der Deutschlandstiftung Integration (DSI), welches Menschen mit Migrationsbiografie einen Zugang zum recht homogenen Stiftungssektor verschafft. Obwohl die Stiftungslandschaft zu den zivilgesellschaftlichen Akteuren gehört, spiegelt sie die Diversität innerhalb der Gesellschaft nicht wirklich wider.

Das Programm setzt sich aus einer dreimonatigen Hospitation in einer Stiftung und Begleitseminaren zu Themen wie Projektmanagement, Diversitymanagement und Empowerment zusammen. Elena Trendafilow hat ihre Hospitation bei uns in der B. Braun-Stiftung absolviert. Wir haben mit ihr über ihre Zeit als Hospitantin und die Bedeutung von Vielfalt gesprochen.

Wie bist du darauf aufmerksam geworden und warum machst du bei dem Programm mit?

Nachdem ich im April dieses Jahres mein Masterstudium beendet habe, habe ich mich auf Jobsuche begeben. Dabei habe ich in diversen Plattformen immer wieder die Schlagworte wie „Diversität“, „Vielfalt“, „Rassismus“, „Gleichstellung“ oder ähnliche eingegeben, um Stellenausschreibungen zu finden, die zu meinem Profil passen. Bei dieser Suche bin ich über die Ausschreibung der DSI gestolpert. Obwohl ich vorher noch nie darüber nachgedacht habe, im Stiftungswesen zu arbeiten und kaum Berührungspunkte hatte, wurde mein Interesse geweckt.  Zum einen bin ich grundsätzlich recht neugierig und nutze gerne jede Gelegenheit, um meinen Erfahrungsschatz zu erweitern. Außerdem hielt ich das Stipendium – ganz seinem Zweck entsprechend – für eine Möglichkeit, einen ersten Zugang in das breite Arbeitsfeld von NGOs zu erhalten.

Warum ist dir das Thema Vielfalt so wichtig?

Ich würde nicht sagen, dass mir Vielfalt wichtig ist, sondern viel mehr, dass Vielfalt eine Realität darstellt, deren Anerkennung und Berücksichtigung mir wichtig ist. Und da dies in unserer Gesellschaft nicht automatisch passiert, braucht es Begriffe wie „Vielfalt“ oder „Diversität“, die eine Wertschätzung von Unterschiedlichkeiten ausdrücken und diese sichtbar machen. Vielfalt zu fördern, bedeutet im Grund ja, Gegebenheiten, die als normal ansehen werden (z.B. dass v.a. weiße Männer medizinische Spitzenpositionen besetzen) kritisch zu hinterfragen und festzustellen: Das ist nicht natürlich, sondern an strukturelle Bedingungen geknüpft. Und wenn man diese Bedingungen erkennt und benennt, kann man sie so beeinflussen, dass sie für die Menschen, die unter „Vielfalt“ zusammengefasst werden, besser werden. 

Hattest du vorher schon Kontakt mit der Arbeit im Gesundheitswesen?

Ich durfte das Gesundheitswesen schon aus vielen unterschiedlichen Perspektiven kennenlernen. 2013 habe ich eine Ausbildung zur Physiotherapeutin gemacht und war in diesem Zuge sowohl in der ambulanten als auch in der stationären Versorgung tätig. Später war ich als Sozialarbeiterin, konkret als psychosoziale Beraterin und Case Managerin im Kinderschutz tätig. Während meines Masterstudiums habe ich als Werkstudentin an zwei Forschungsprojekten zu Rassismen in der Gesundheitsversorgung bzw. der Effektivität von Interventionen gegen diskriminierungsbezogene Barrieren mitgearbeitet. In all diesen Bereichen habe ich gemerkt: im Gesundheitswesen ist noch lange nicht angekommen, dass die deutsche Gesellschaft postmigrantisch und divers ist. Die Gesundheitsversorgung ist keinesfalls für alle (gleichermaßen gut) gewährleistet. Daran muss sich etwas ändern.

Was hast du über Stiftungen gelernt, was du vorher nicht gedacht hast?

Wenn ich ehrlich bin, habe ich mir vorher nicht viele Gedanken über Stiftungen gemacht. Insofern war mir fast alles, was ich während der Zeit bei der BBST gelernt habe, neu. Hervorzuheben ist vielleicht vor allem das Maß an Kreativität, welches in der Stiftungsarbeit steckt. Obwohl der Zweck ja festgelegt ist, obliegt es doch den Menschen, die in der Stiftung tätig sind, wie sie diesen umsetzen und wo sie Schwerpunkte setzen.  Das schafft total viel Raum für Veränderung und Weiterentwicklung. Und vor allem macht es die Stiftungsarbeit für mich zu einem spannenden und abwechslungsreichen Arbeitsfeld.

Was waren deine Aufgaben hier in die Stiftung?

Eine meiner Hauptaufgaben war die Entwicklung von Strategien, um mit den Förderprogrammen einen diverseren Adressat:innenkreis zu erreichen und den Themenkomplex Vielfalt stärker in die Förderprogramme zu integrieren. Ich habe aber auch andere Aufgaben übernommen, wie z. B. Interviews für die Website geführt, Umfragen konzipiert, Veranstaltungsmaterial gestaltet, mich an der Konzeption von Programmen und Veranstaltungen beteiligt und allerlei Zuarbeiten für die Forschungsförderung und die Öffentlichkeitsarbeit erledigt. Ich würde sagen, dass mir ein hohes Maß an Vertrauen entgegengebracht wurde: Ich durfte an vielen Stellen mitwirken und konnte so einen sehr breiten Einblick in die Stiftungsarbeit erhalten.

Was sind deine Pläne danach?

Ich habe ein relativ breites Profil und würde entweder gerne im NGO-Bereich, im DOOE/ Diversitymanagement, in der politischen Bildung oder in einem spannenden Forschungsprojekt zum Themenkomplex arbeiten. Leider gibt es solche Stellen nicht wie Sand am Meer und die aktuellen politischen Entwicklungen lassen mich auch ein wenig bangen. Diese Jobs sind häufig projektfinanziert und von Förderungen und damit von gesellschaftlichen Entwicklungen abhängig – aber ich bleibe zuversichtlich. Was ich vor meinem Stipendium nicht gewusst hätte:  Stiftungen könnten in Zukunft eine noch größere Verantwortung dafür tragen, dass Projekte, die derartige Themen in den Fokus nehmen, weiterlaufen können. 

Was macht die Stiftungsarbeit aus, könntest du dir vorstellen später in einer Stiftung zu arbeiten?

Ja, grundsätzlich kann ich mir gut vorstellen, im Stiftungssektor tätig zu werden. Mir hat an der Arbeit gefallen, dass man Geld verteilen kann und damit die Möglichkeit hat, Menschen und Organisationen Wege zu ebenen. Ich würde natürlich nur bei einer Stiftung arbeiten, die einen Zweck verfolgt, der mit meinen Werten übereinstimmt. 

Was müsste sich im Hinblick auf Diversität im Stiftungswesen verändern?

Als zivilgesellschaftliche Akteur:innen sollten Stiftungen meiner Meinung nach die Zivilgesellschaft in ihrer Diversität adressieren und konsequenterweise auch ihre eigenen Strukturen für diese Vielfalt öffnen. Außerdem verfügen Stiftungen als Geldgeberinnen über eine Ressource, mit der man viel bewegen kann. Damit dies nicht nur im Sinne derjenigen passiert, die ohnehin mit Privilegien ausgestattet sind, sondern auch jenen zugutekommt, die ständig mit Barrieren konfrontiert sind, braucht es die entsprechende Expertise und Perspektive. Ich finde nicht, dass es reicht, sich als Stiftungen kollektiv für Demokratie auszusprechen. Vielfalt stiften bedeutet persönlich nicht nur, durch meine Anwesenheit passiv Teil eines Veränderungsprozesses zu sein, sondern ihn auch aktiv mitzugestalten. Während meiner Zeit bei der B. Braun-Stiftung konnte ich meine eigene Expertise und Erfahrung zu den Themenkomplexen Rassismuskritik und Diversität einbringen und die Stiftung dabei unterstützen, Vielfalt noch mehr abzubilden und zu fördern.

Wie cool ist denn eigentlich die BBST?

Besser geht’s kaum 😉. Ich habe den Umgang in der Stiftung als sehr herzlich und wertschätzend empfunden. Ich bin hier als fremde Person reingekommen und bringe ehrlich gesagt einen extrem kritischen Blick mit, wenn es um Vielfalt geht. Die B. Braun-Stiftung hat sich diesem ausgesetzt und ihr alle wart immer sehr offen für meine Perspektive. Ich glaube nicht, dass es in unserer Gesellschaft Institutionen gibt, die vollständig diskriminierungs- und barrierefrei sind und wo es nichts mehr zu tun gäbe. Deshalb bin ich davon überzeugt, dass eine Fehlerkultur und die Offenheit, sich weiterzuentwickeln die wichtigsten Grundvoraussetzungen für Veränderungsprozesse sind. Diese habe ich bei der B. Braun-Stiftung auf jeden Fall wahrgenommen – und ich werde die Tätigkeit der Stiftung mit Freude weiterverfolgen. Ich habe während meiner Zeit bei Euch wahnsinnig viel gelernt und sehr viel Spaß gehabt.