Muss das Krankenhaussystem neu gedacht werden?

Muss das Krankenhaussystem neu gedacht werden?

Prof. Dr. Reinhard Busse kritisiert im Interview mit dem Tagesspiegel die Krankenhausstruktur und warnt davor diese Thematik nicht der Pandemie zu opfern.

Prof. Dr. Reinhard Busse ist Leiter des TU-Fachgebiets Management im Gesundheitswesen sowie eines Gesundheitsökonomischen Zentrums des BMBF in Deutschland und zugleich Sprecher der Berlin Shool of Public Health.

Busse sagt gegenüber dem Tagesspiegel auf die Frage wie das deutsche Gesundheitssystem auf eine Pandemie vorbereitet gewesen sei, sinngemäß, dass das RKI anfänglich einen guten Job gemacht hätte, positiv sei auch gewesen, dass es so zahlreiche freie Intensivbetten gegeben habe. Im zweiten Schritt hätte sich jedoch gezeigt, dass es Probleme gab, diese freien Kapazitäten zu koordinieren. Den Grund dafür sieht Busse darin, dass nicht konsequent überlegt worden sei, welches Krankenhaus für die Versorgung welcher Fälle zuständig ist. In Zeiten von ansteckenden Infektionskrankheiten, so Busse, sei es sehr problematisch an dem Prinzip der freien Krankenhauswahl festzuhalten.

Aus seiner Sicht fehle ein Zuständigkeitskonzept, aus dem hervorgehe, dass nur bestimmte Krankenhäuser Covid-19-Patienten aufnehmen. Deshalb fordert er eine „echte landesweite Krankenhausplanung, aus der das Aufgaben- und Leistungsspektrum jedes einzelnen Krankenhauses hervorgeht – und zwar aufgrund seiner strukturellen, personellen und technischen Ausstattung und Erfahrung.“ Es sei nicht sinnvoll, so Busse weiter, "dass jedes Krankenhaus komplexe Krebsoperationen vornimmt, also alle Kliniken alles machten." Auch zum Thema Schutzkleidung äußert er sich im Tagesspiegel. So ist er der Ansicht, dass es nicht zu dem Engpass von Schutzkleidung gekommen wäre, wenn nicht jedes Krankenhaus selbst entscheiden könne, welche Leistung es anbiete und welche nicht. Wenn das also allgemein geklärt wäre, dann bestünde eine Pflicht dazu, einen Vorrat an Schutzkleidung zu haben, um infektiöse Patienten behandeln zu dürfen und zu können.

Solch eine Krankenhausstruktur-Debatte ist jedoch laut Busse kein unmittelbares Ergebnis der Corona-Pandemie. Sie sei bereits vor Corona geführt worden. Mit der Pandemie und dem aktuellen Wunsch nach vielen Betten in möglichst vielen Krankenhäusern, warnt Busse davor, diese Debatte nicht Corona zu opfern. Außerdem bräuchte es eine Diskussion über die Qualität der Krankenhäuser und nicht über die Anzahl ihrer Betten, was fatale Folgen mit sich bringen könnte, wenn man diese Debatte nach der Pandemie nicht weiter führe, da die Corona-Epidemie bestimmte "Schwächen des deutschen Krankenhaussystems sichtbar gemacht" habe. Zum Beispiel, dass Krankenhäuser Einrichtungen sind, die untereinander im Wettbewerb stehen. In der jetzigen Situation zeige sich jedoch, wie wichtig gemeinsame Koordination und Kooperation sind. Oder auch, dass explizite Reservekapazitäten in diesem System bisher nicht vorgesehen waren und man laut Busse vielleicht einmal darüber nachdenken sollte, das Vergütungssystem zu überdenken.

Das komplette Interview finden sie hier: https://www.tagesspiegel.de/themen/technische-universitaet-berlin/gesundheitsmanagement-experte-im-interview-debatte-nicht-der-pandemie-opfern/25789262.html#