Methoden zur Nutzenbewertung von Medizinprodukten: RCT können nicht allein der Goldstandard sein
Dritte Plenumveranstaltung zum "Wert von Medizinprodukten": Entscheider diskutierten auf Einladung der B. Braun-Stiftung und der Hochschule Neubrandenburg am 10. Mai über den Paragraphen 137 h SGB V
„Es geht an der Nutzenbewertung von Medizinprodukten kein Weg vorbei, allerdings ist die Methodik noch nicht vollständig entwickelt. Insbesondere vermisst man die durchgängige Transparenz, was den Nutzenwert und die Vergütung betrifft. Auch scheint die Integration des Patienten mit seinen Präferenzen und der Wert für den Anwender unvollständig“, erklärte Prof. Dr. Schachtrupp, Geschäftsführer der B. Braun-Stiftung auf dem 3. Plenum der Veranstaltungsreihe zum Wert von Medizinprodukten: „Transparent, patientennah, zeitkritisch – Die Nutzenbewertung von Medizinprodukten“ am 10. Mai. Entscheider diskutierten auf Einladung der B. Braun-Stiftung und der Hochschule Neubrandenburg über den Paragraphen 137 h SGB V.
Kritik an der Nutzenbewertung von Untersuchungs- und Behandlungsmethoden mit Medizinprodukten hoher Klassifikation kam vom Bundesministerium für Gesundheit. Dr. Ulrich Orlowski, Leiter Gesundheitsversorgung - Krankenversicherung beim BMG, zweifelt mit Blick auf die ersten Verfahren an den Evidenzkriterien. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G- BA) hat gerade die ersten Untersuchungs- und Behandlungsmethoden von Medizinprodukten nach 137 h bewertet und nur zweien das Potenzial einer „Behandlungsalternative“ zugesprochen. Orlowski machte deutlich, dass der Gesetzgeber Patienten nicht von Innovationen ausschließen wolle. Mit dem neuen NUB-Verfahren habe er aber nur noch Zugang zu stationären Methoden mit nachgewiesenem Nutzen bzw. Potenzial. „Wird durch die Risikoabwägung nicht dem Patienten die Teilhabe an Innovation verwehrt?“, fragte er provokant.
Generell besteht Uneinigkeit hinsichtlich der Evidenzgewinnung. So halten das Institut für Qualitätssicherung und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) und der G-BA an RCTs für die Nutzenbewertung fest, obwohl internationale Vergleiche Alternativen aufzeigen. Eine davon stellt die „adaptive Nutzenbewertung“ dar, die Prof. Dr. Axel Mühlbacher von der Hochschule Neubrandenburg in dem Forschungsprojekt entwickelt hat. Hierbei baut sich in einem dynamischen Prozess Evidenz auf, initiale Zulassungen ermöglichen den schnellen Zugang für kleine Patientengruppen, mit weiterer Evidenzgenerierung kann schließlich eine Vollzulassung erreicht werden. Mühlbacher argumentiert, dass die alleinige Berücksichtigung traditioneller klinischer Studiendesigns mit dem Referenzstandard der randomisierten kontrollierten Studien (RCT) nicht ausreichen, die Komplexität heutiger Versorgungsentscheidungen mit mehreren klinischen Endpunkten abzubilden.
Auch Prof. Dr. Dirk Stengel vom Unfallkrankenhaus Berlin beobachtet in der internationalen Biostatistik ein allmähliches Abrücken vom „Mantra“ der RCTs. Er sieht ein Defizit in Deutschland bzw. Europa im methodischen Beratungsangebot seitens der zuständigen Institutionen. Für Hersteller sei es oft unklar, welche klinischen Daten mittels welcher Designs erhoben werden sollten oder müssen, um die Leistungsfähigkeit, die Effektivität und in der Endstrecke den Nutzen eines Medizinproduktes zu definieren“, erklärte Stengel.
Dazu erklärt Dr. Edith Pfenning, im G-BA für Methodenbewertung und veranlasste Leistungen zuständig: „Nur bei seltenen Erkrankungen oder Versorgungslücken kann der G-BA vom Standard der höchsten Evidenz abweichen.“.
Bei positiver Bewertung durch den G-BA haben Krankenhäuser Anspruch auf Abschluss einer Vergütungsvereinbarung in drei Monaten, rückwirkend zum Zeitpunkt der Antragstellung. Ist das Ergebnis negativ, besteht aber „das Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative“, folgt eine Erprobung der Methode durch das Krankenhaus.
Die dritte Plenumsveranstaltung mit über 130 Teilnehmern beendet das zweijährige Forschungsprojekt zum Wert von Medizinprodukten, das die Hochschule Neubrandenburg gemeinsam mit der B. Braun-Stiftung durchgeführt hat. Die Forschungsergebnisse werden jetzt ausgewertet. „Es ist gelungen, die wesentlichen Akteure zusammenzubringen und das Verbesserungspotenzial aufzuzeigen.“ sagte Prof. Dr. Alexander Schachtrupp, Geschäftsführer der B. Braun-Stiftung.
Für das nächste Jahr sind über das Forschungsprojekt hinaus weitere Veranstaltungen geplant.
Einen längeren Bericht finden Sie unter Veranstaltungen.
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